Auch der Grenzverlauf zwischen Almgrundstücken richtet sich nach der Naturgrenze.

Sind die Grundstücksgrenzen nicht im Grenzkataster eingetragen und besteht zwischen den Grundnachbarn keine Vereinbarung, so bestimmt sich der eigentumsrechtliche Grenzverlauf nach unbedenklichen objektiven Grenzzeichen (zB Grenzsteine, Grenzpflöcke) oder nach der Naturgrenze (zB Mauern, Zäune, Bäume, natürliche Grenzlinien). In Almregionen und im Gebirge kommen als natürliche Grenze ein Grat, eine Wasserscheide, ein Bach in der Talsohle, ein Felsen, ein Berggipfel, ein Bergrücken, eine Böschungskante oder eine Schlucht in Betracht.

Die Parteien sind Eigentümer angrenzender Almgrundstücke und streiten über den Verlauf der Grenze. Die Fläche zwischen den wechselseitig behaupteten Grenzverläufen ist rund 16,4 ha groß, überwiegend mit Latschen, Fichten und Lärchen bewachsen und weist markante Geländestufen auf. Abgestellt auf das Gelände folgt die natürliche Grenze jenen Vermessungspunkten, die von der klagenden Agrargemeinschaft als Grenze behauptet werden. In den letzten 30 und 40 Jahren wurde die strittige Fläche weder ausschließlich von den Beklagten noch von den Mitgliedern der Klägerin genutzt und bewirtschaftet, vielmehr beweideten Kühe beider Seiten diese Fläche. Ab 1995 beantragte der Obmann der Klägerin für den strittigen Bereich AMA-Förderungen. Im Jahr 2013 beantragten auch die Beklagten eine Förderung für diesen Bereich, weshalb es wegen der Doppelbeantragung zu einer Auszahlungssperre im Förderungssystem der AMA kam.

Die Klägerin begehrte, den Beklagten zu verbieten, hinsichtlich der in ihrem Eigentum stehenden strittigen Grundfläche AMA-Fördergelder zu beantragen sowie weiters durch sonstige Inanspruchnahme oder Nutzung als Alm- und Weidefläche ihr Eigentum zu verletzen.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Topographisch markante Linien könnten allenfalls ein Indiz, aber kein Nachweis für die eigentumsrechtliche Grenze sein. Maßgebend sei, ob eine topographisch markante Linie von den Parteien als Grenze gewollt und akzeptiert gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Dazu führte das Höchstgericht aus:

Besteht Streit über den eigentumsrechtlichen Grenzverlauf, so ist die richtige Grenze laut aktuellem Grundbuchsstand festzustellen. Dabei ist nicht auf die Mappengrenzen abzustellen. Sind die Grundstücksgrenzen nicht im Grenzkataster eingetragen und besteht zwischen den Grundnachbarn keine Einigkeit, so bestimmt sich der eigentumsrechtliche Grenzverlauf nach unbedenklichen objektiven Grenzzeichen (zB Grenzsteine, Metallmarken, Grenzpflöcke) oder nach der Naturgrenze (zB Mauern, Zäune, Bäume, Böschungskanten, natürliche Grenzlinien. Zur Naturgrenze in einer gebirgigen Almregion hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgeführt, dass für den Grenzverlauf nicht die Papiergrenzen, sondern die Naturgrenzen, das heißt der in der Natur festzustellende Verlauf der Grenzen, maßgebend sind. Solche natürlichen Grenzen können in den Almregionen und im Gebirge beispielsweise ein Grat, eine Wasserscheide, ein Bach in der Talsohle oder sonstige auffällige Gegebenheiten in der Natur, wie zB Felsen, Bäume, Berggipfel, Bergrücken oder Schluchten, bilden. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass Naturgrenzen nur zum Zeitpunkt der Anlegung des Grundbuchs von den damaligen Nachbarn akzeptierte Grenzen sein könnten, ist verfehlt. Vielmehr ist in dieser Hinsicht nur der zur Zeit der Grundbuchsanlegung in der Natur bestehende oder seither rechtswirksam in der Natur veränderte Grenzverlauf maßgebend.

Im Anlassfall kommen für die Bestimmung des eigentumsrechtlichen Grenzverlaufs auffällige Gegebenheiten in der Natur, wie Gebirgs- oder Böschungskanten, Bergrücken oder Schluchten oder auch Geländestufen als natürliche Grenzlinien in Betracht. Nach den Feststellungen des Erstgerichts verläuft die natürliche Grenze nach Maßgabe der Geländestufen entlang jener Vermessungspunkte, die von der Klägerin als Grenzverlauf behauptet werden. Die Klägerin hat damit ihr Eigentum an der strittigen Fläche nachgewiesen.

Die endgültige Entscheidung kann allerdings noch nicht getroffen werden, weil mit der Klägerin das konkrete Klagebegehren und die Frage erörtert werden muss, ob sie eine Vermessungsurkunde oder einen Lageplan eines Zivilgeometers, der den eigentumsrechtlichen Grenzverlauf wiedergibt, zur Grundlage ihres Begehrens machen will. Die Entscheidungen der Vorinstanzen müssen daher aufgehoben werden.

(OGH zu 4 Ob 21/19w vom 25.04.2019)